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Allgemein:

Branche, Produktionskette
Die Textilbranche ist eine stark globalisierte Branche. Bevor ein Kleidungsstück in unseren Kleiderschränken landet hat es schon eine Weltreise hinter sich. Die einzelnen Produktionsschritte werden jeweils in den Ländern vorgenommen, welche die günstigsten Bedingungen dafür bieten. Dies ist billiger als ein Kleidungsstück komplett in einem Land, z.B. Deutschland, zu fertigen.
Der Großteil der Produktion findet in Ländern des Südens statt (meist in Lateinamerika und Asien). Modefirmen sind zu virtuellen Firmen geworden, sie designen und vermarkten ihre Kleidung, stellen sie aber nicht in eigenen Fabriken her. Stattdessen beauftragen sie Zwischenhändler. Diese vergeben wiederum entsprechende Aufträge an Herstellerfirmen, die für die Produktion zuständig sind. Für die direkte Fertigung werden Teilaufträge an Zulieferbetriebe verteilt.
Die Preise für die Produktion können die Modefirmen fast allein bestimmen. Durch den hohen Konkurrenzdruck sind die einzelnen Glieder der Produktionskette bestrebt niedrigste Preise anzubieten, um die Aufträge an Land zu ziehen. Das größte Risiko tragen dabei die Zulieferfirmen. Wenn sie die gesetzten Liefertermine nicht einhalten können, droht ihnen der Abbruch der Geschäftsbeziehungen und Gewinnverlust.

ArbeiterInnen
TextilarbeiterInnen arbeiten in der Regel zehn Stunden am Tag, je nach Auftragslage müssen oftmals unbezahlte Überstunden geleistet werden. Die meisten sind über ihre Rechte nicht informiert, gewerkschaftliche Organisation ist in einem Großteil der Fabriken verboten.
Dennoch sind die Arbeitsplätze in den Produktionsfirmen begehrt, da sonst die Erwerbslosigkeit droht. Die meisten Arbeiter sind Frauen aus ländlichen Gebieten, in denen es wenig Arbeitsmöglichkeiten gibt. Um ihre Familien zu unterstützen ziehen sie meist noch sehr jung in die Städte wo sie in einer der großen Fabriken Arbeit finden. Andere folgen ihren Eltern in die Fabrik, wenn sie alt genug sind. In Lateinamerika werden sie mit 15 Jahren eingestellt, in China mit 16 Jahren.

Freie Produktionszonen
Um internationale Konzerne ins Land zu bekommen, richten viele Staaten Freie Produktionszonen (FPZ) ein. Sie verschaffen den Firmen so Vorteile auf dem hart umkämpften Auftragsmarkt. Die FPZ sind Wirtschaftsgebiete innerhalb eines Staates, in denen die Investoren Steuer- und Zollvergünstigungen, freien Rücktransfer von Gewinnen, kostenlose Infrastruktur und geringe Umweltauflagen genießen. Häufig werden auch Verstöße gegen national und international geltende Arbeitsrechte nicht verfolgt. Den Zulieferfirmen ist es so möglich ihre Preise noch weiter zu drücken um für transnationale Konzerne attraktiv zu werden.

Verhaltenskodizes
Verhaltenskodizes sind eine firmeninterne Verpflichtungen, die als Grundlage für die freiwillige Einhaltung und Verbesserung sozialer und ökologischer Standards bei der Produktion dienen.
Die ILO (International Labour Organization, Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen) formulierte Konventionen bezüglich Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, sowie Löhnen, Arbeitszeit und Überstunden als soziale Mindeststandards. Diese Konventionen sind allerdings für Staaten nicht bindend. Wo gesetzliche Regelungen zu Arbeitsbedingungen fehlen oder unzureichend sind, haben einige Firmen aufgrund öffentlichen Drucks durch KonsumentInnen in den Industrieländern und dortigen Gewerkschaften, Verhaltenskodizes eingeführt. Inhaltlich orientieren sich diese meist an den ILO-Konventionen und/oder nationalen Gesetzen. Es existieren firmeninterne und –übergreifende Kodizes.
Wenn die Einhaltung der Kodizes durch unabhängige Organisationen kontrolliert wird und sie den sozialen Mindeststandards entsprechen, sind die freiwilligen Verpflichtungen als sehr begrüßenswerte Entwicklung anzusehen. In der Realität sieht es jedoch anders aus: die Firmen lassen sich nicht unabhängig kontrollieren. Sie kontrollieren sich selbst und kommen daher meist zu guten Ergebnissen. Die Regierungen sind durch die freiwilligen Selbstverpflichtungen also nicht von ihrer Verantwortung gegenüber der arbeitenden Bevölkerung entbunden.

Initiativen zur Verbesserung
Anders als bei Produkten wie Kaffee oder Kakao ist die Entwicklung des Fairen Handels in der Textilbranche noch nicht weit fortgeschritten, aber Anfänge sind gemacht. Es gibt Initiativen und Organisationen, wie z.B. die Kampagne für Saubere Kleidung, Südwind e.V., INKOTA Netzwerk e.V.,  die sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzen.
Neben der Öffentlichkeitsarbeit stehen die genannten Akteure in ständigem Kontakt mit TextilarbeiterInnen und internationalen Textilkonzernen und arbeiten so auch auf Lobbyebene.

Dieser Punkt wird nach der Stadterkundung im Welthaus Bielefeld ausführlich thematisiert. Die dabei erarbeiteten Ergebnisse können als Anknüpfungspunkt für die Nachbereitung im Unterricht dienen.

Textilindustrie in Bielefeld

Industrialisierung
Die Stadt Bielefeld trägt den Beinahmen „Leinewerberstadt“. Dieser Name ist auf die vorindustrielle Zeit zurückzuführen. Bielefelder Leinen galt bis Mitte des 19. Jh. als Qualitätsmarke und ist es auch heute noch. Der Stoff wurde in Heimarbeit von den ansässigen landwirtschaftlichen Familien hergestellt. Auch die Rohstoffproduktion wurde von hiesigen Flachsbauern bewerkstelligt.
Dies änderte sich mit der aufkommenden Industrialisierung. 1854 wurde die Ravensberger Spinnerei in Bielefeld gegründet. Das Fabrikschloss entstand nach englischem Vorbild. Auch Technik und Wissen stammten aus Großbritannien, wo die industrielle Textilproduktion schon weit fortgeschritten war.

Arbeitsbedingungen, Arbeiterschaft
Die geringeren Verdienstmöglichkeiten auf dem Land und die Nachfrage nach Arbeitskraft in der Stadt brachten eine rapide Verstädterung mit sich. Bielefeld wuchs zu dieser Zeit rasch, neue Infrastruktur wurde geschaffen.
Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren schlecht und die Arbeitsabläufe strengen Regeln unterworfen. Wer gegen diese Regelungen verstieß wurde schnell entlassen. Eine Arbeiterin arbeitete um 1900 in der Regel bis zu zehn Stunden am Tag. 1906 arbeitete eine Näherin 53,25 Stunden in der Woche für zwei Reichsmark (RM). 1944 verdienten Näherinnen in Akkordarbeit 102 RM bis 134 RM im Monat.
Die Arbeiterschaft bestand zu etwa 80% aus Frauen. Hauptsächlich wurden sie in der mechanischen Produktion von Garn und Stoff, sowie in der Wäscheindustrie eingesetzt. Die Wäscheindustrie gliederte sich in die drei Arbeitsbereiche Stärkerei, Plätterei und Näherei.
Die als Näherinnen beschäftigten Frauen kamen meist aus der Arbeiterschicht und hatten die Volksschule besucht. Nach der Konfirmation wurde mit der Lehre begonnen. Alternativen zum Nähen gab es kaum, wollte eine Frau einen Beruf erlernen.
Die Arbeit in der Wäscheherstellung führte zu schnellem gesundheitlichem Verschleiß bei den Arbeiterinnen. Haltungsschäden und Kurzsichtigkeit stellten sich oft früh ein. In der Regel war das Berufsleben der Frauen daher nicht lang. Die meisten begannen eine Lehre unter der Prämisse ohnehin zu heiraten und verdienten dann in Heimarbeit etwas für die Familie hinzu. Frauen, die älter waren als 25 Jahre traf man nur selten in den Nähfabriken. Ältere Frauen arbeiteten eher in den Plättereien und Stärkerein.

Quelle: Welthaus Bielefeld